Welche Rolle spielt das Theater im ehemaligen Jugoslawien angesichts starker politischer und ökonomischer Veränderungen seit den 1980er Jahren? Welche Reflexionsfolie bietet es für politische und kulturelle Fragen? Wie wird Theater tatsächlich zum bevorzugten Aushandlungsort unterschiedlicher Erinnerungsdiskurse? Anhand von sechs ausgewählten Inszenierungen von Shakespeares Hamlet gewährt Alexandra Portmann neue Einblicke in die komplexe Theatergeschichte im (post)jugoslawischen Raum. Die Untersuchung berücksichtigt nicht nur die problematische Erinnerungspolitik in diesem ständig und teils drastisch sich verändernden kulturellen Kontext, sondern verortet bestimmte Inszenierungsstile und Arbeitsweisen innerhalb einer wesentlich weiter als bisher gefassten europäischen Theatergeschichte. Die Studie wurde mit dem Fakultätspreis der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern und dem Martin-Lehnert-Preis der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft ausgezeichnet.
Dank
Einleitung: Shakespeares Hamlet in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien
1 Anfänge der Shakespeare-Rezeption in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien
2 Strategien der kulturellen Aneignung von Shakespeares Hamlet nach 1945
3 Vorgehensweise und Aufbau
I «What, has this thing appear’d again to-night?» Theater und kulturelle Erinnerung
1 Theoretische Paradigmata und Probleme
2 Aby Warburgs kulturwissenschaftliche Überlegungen als theoretische Grundlage
2.1 Das geschichtstheoretische Konzept des Nachlebens
2.2 Warburgs Konzept der Pathosformel
2.3 Kultur als Gedächtnis: Warburgs dynamischer Kulturbegriff
3 Theaterbegriffe und das Konzept der kulturellen Erinnerung
3.1 Theater und Wiederholung
3.2 Multidirektionale Erinnerungen
4 Theatrale Schlüsselbilder
4.1 Inhaltliche Bestimmung der theatralen Schlüsselbilder
4.2 Strukturelle Bestimmung der theatralen Schlüsselbilder
II «Who’s there?» Das theatrale Schlüsselbild des Geistes
1 Einleitung
2 Der Geist zwischen Rache und Erinnerung – Dušan Jovanovićs Hamlet am Jugoslawischen Schauspielhaus (2005)
2.1 Kontexte der Inszenierung
2.1.1 Hamlet im Jugoslawischen Schauspielhaus nach 1991
2.1.2 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
2.2 Funktion und Darstellung des Geistes in Jovanovićs Hamlet-Inszenierung
2.2.1 Quellenlage
2.2.2 Inszenierungsbeschreibung
2.2.3 Bühnenkonzept: Szenografie, Kostüme, Licht und Musik
2.2.4 Charakteristika der Geisterdarstellung
2.2.5 Zusammenführung: Multidirektionale Erinnerungen an Jugoslawien und die Stunde null im Jahr 2000
3 Nach Illyrien? – Der Geist in Slobodan Šnajders Gamllet (1987) als Metapher für eine wiederkehrende Vergangenheit
3.1 Kontexte der Inszenierung
3.1.1 Slobodan Šnajders Gamllet am Bosnischen Nationaltheater in Sarajevo
3.1.2 Slobodan Šnajder als ‹kontroverser Autor›
3.1.3 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
3.2 Die Funktion des Geistes in Slobodan Šnajders Gamllet (1987)
3.2.1 Quellenlage
3.2.2 Stück- und Inszenierungsbeschreibung
3.2.3 Bühnenkonzeption: Szenografie, Kostüme, Musik
3.2.4 Der Geist von Silvije Strahimir Kranjčević
3.2.5 Zusammenführung: Multidirektionale Erinnerungen als Vorzeichen für den Zerfall von Jugoslawien
4 Versuch einer vergleichenden Perspektive
III «There are the players!» Das theatrale Schlüsselbild der Mausefalle
1 Einleitung
2 «Und der Rest ist Schweigen» – Shakespeares Hamlet als Mausefalle in Ljubiša Georgievskis Inszenierung (1989)
2.1 Kontexte der Inszenierung
2.1.1 Ljubiša Georgievski und Shakespeares Hamlet in Makedonien
2.1.2 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
2.2 Georgievskis Hamlet als Mausefalle
2.2.1 Quellenlage
2.2.2 Inszenierungsbeschreibung
2.2.3 Bühnenkonzept: Szenografie, Kostüme, Musik
2.2.4 Das Theater im Theater in Georgievskis Hamlet
2.2.5 Zusammenführung: Hamlet als Reflexionsfolie für Zensurpraktiken
3 Hamlet liest Hamlet – Gorčin Stojanovićs Hamlet von 1992
3.1 Kontexte der Inszenierung
3.1.1 Gorčin Stojanović und das Jugoslawische Schauspielhaus im Spannungsfeld der politischen Veränderungen
3.1.2 Hamlet am Jugoslawischen Schauspielhaus vor 1992
3.1.3 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
3.2 Stojanovićs Hamlet als Collage
3.2.1 Quellenlage
3.2.2 Inszenierungsbeschreibung
3.2.3 Bühnenkonzept: Szenografie, Kostüme, Musik
3.2.4 Hamlet als Collage
3.2.5 Zusammenführung: Die Mausefalle als dreifache Reflexion auf das Theater
4 Hamlet als Verweigerung – Tomaž Pandurs Hamlet am Slowenischen Nationaltheater in Maribor 1990
4.1 Kontexte der Inszenierung
4.1.1 Shakespeares Hamlet in Slowenien
4.1.2 Tomaž Pandurs ‹Theater der Bilder›
4.1.3 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
4.2 Pandurs Hamlet als barockes Spektakel
4.2.1 Quellenlage
4.2.2 Inszenierungsbeschreibung
4.2.3 Bühnenkonzept: Szenografie, Kostüme, Musik
4.2.4 Pandurs barockes Spektakel, oder: Hamlet als Verweigerung
4.2.5 Zusammenführung: Pandurs Mausefalle als allegorisches Spiel
5 Versuch einer vergleichenden Perspektive
IV «On Fortinbras: he has my dying voice». Das theatrale Schlüsselbild Fortinbras
1 Einleitung
2 Luko Paljetaks Poslje Hamleta (Nach Hamlet, 1994) im Kontext der Sommerfestspiele in Dubrovnik
2.1 Kontexte der Uraufführung
2.1.1 Shakespeares Hamlet an den Sommerfestspielen in Dubrovnik
2.1.2 Luko Paljetaks Reflexionen zu Hamlet
2.1.3 Politischer Kontext und Erinnerungsdiskurse
2.2 «I have some rights of memory in this kingdom» (V, 2, 373) – Fortinbras als Reflexionsfolie für multidirektionale Erinnerungsdiskurse in Paljetaks Nach Hamlet
2.2.1 Quellenlage
2.2.2 Stückbeschreibung
2.2.3 Funktion von Erinnerung in Poslje Hamleta (Nach Hamlet)
2.3 Dramen- und Inszenierungsanalyse im Vergleich
2.3.1 Szenografie/Kostüme
2.3.2 Aspekte der Inszenierung und dramaturgische Veränderungen
Zusammenfassung und Ausblick
1 Vorzüge und Perspektiven des theatralen Schlüsselbildes
2 Schlüsselbilder, dramaturgische Strategien und Erinnerungsdiskurse
3 Ausblick
Anhang
Inszenierungsverzeichnis 1945–2014
Literaturverzeichnis
Das ITW Bern begreift sich als Partner der in der Fédération internationale de la recherche théâtrale und in der Gesellschaft für Theaterwissenschaft e. V. vereinigten theaterwissenschaftlichen Institute. Folgerichtig werden in der Reihe auch Ergebnisse aus Lehre und Forschung auch anderer Institute präsentiert: Textsammlungen zum Studium der Theaterwissenschaft, Kongressmaterialien, Lizentiatsarbeiten zur Fachgeschichte, zur Theaterpraxis oder zur Methodendiskussion. Ebenso ist an Erstausgaben von Stücken oder an wichtige Übersetzungen gedacht, die Eingang in den theaterwissenschaftlichen Diskurs finden sollen.
«Alexandra Portmann’s book The Time is Out of Joint, [is] the first comparative study of the late-Yugoslav and post-Yugoslav productions of Hamlet. [...] At its most productive, Portmann’s method demonstrates the great variety and connectedness of creative adaptations of Hamlet in the cultural space of former Yugoslavia. [...] A thoughtful, interdisciplinary theoretical framework, a balanced approach to the conflicting memory discourses of Yugoslavia and an empathetic, comprehensive reconstruction of historical stage productions of Hamlet. Above and beyond its immediate context, the book will appeal to scholars of theater, performance, and memory studies. It is to Portmann’s credit that she has outlined the areas for the future research of Hamlet productions: transnational exchanges, gendered memories, and institutionalization through festivals.»