Die Praxis der Baustelle um 1900

Das Zürcher Stadthaus

Gebunden
2017. 440 Seiten, 182 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1334-5
CHF 68.00 / EUR 62.00 
  • Kurztext
  • Autor/in
  • Einblick
  • In den Medien
  • Downloads

Im 19. Jahrhundert veränderte sich das Bauwesen weitreichend, dies zeigt sich vielfältig an der zentralen Produktionsstätte, der Baustelle. Insbesondere auf den Baustellen städtischer Gebäude, wie Wohnhäuser, Geschäftshäuser oder Schulen, wird erkennbar, dass es um 1900 eine Überlagerung von tradierten und neuen Verfahren und Ansätzen gab. Anhand der Baustelle des Zürcher Stadthauses, 1898–1901 vom zweiten Stadtbaumeister Gustav Gull errichtet, geht das Buch der Gleichzeitigkeit von Althergebrachtem und von Neuerungen nach. Zentrale Themen sind das System der Arbeit, die verwendeten Materialien, Produkte und Praktiken, die Prozesse der Planung sowie die benutzten Baugeräte. En détail und reich bebildert wird der Bauprozess eines Gebäudes aufgezeigt – in der Gänze zeichnet das Buch ein umfassendes Bild vom Zürcher Bauwesen um 1900, vor allem unter wirtschaftlichen und technischen Aspekten.

2003–2009 Studium der Architektur an der RWTH Aachen und ETH Zürich; 2009–2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich; Forschungsschwerpunkt: Baukonstruktion und Konstruktionswissen im 19./20. Jahrhundert. Ab 2016 als Referent in der Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) tätig, übernahm er zum 1. Oktober 2018 die Leitung des Landesdenkmalamtes als neuer Berliner Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamtes Berlin.

Inhalt

Vorwort Die Praxis der Baustelle um 1900 I. Das Zürcher Stadthaus 1. Ein zeittypischer Zürcher Bau 2. Die Baustelle – Projekt, Bauablauf, Quellen II. Kontexte: Strukturen und Veränderungen im 19. Jahrhundert 1. Gesetzgebung und Normung 2. Die Technisierung der Gebäude 3. Handwerker-Unternehmer und Baubetriebe 4. Die berufliche Situation der Bauhandwerker 5. Die Professionalisierung des Bauführers III. Die Arbeitspraktiken: Kontinuitäten und Spezialisierungen 1. Die Maurer als Nucleus der Baustelle Exkurs: Verantwortung und Expertise - Der Bauunternehmer als Berater und Experte - Verantwortlichkeiten und Herausforderungen des Bauführers 2. Traditionelles Bauhandwerk und seine Formen um 1900 - Steinarbeiter: Steinhauer, Steinmetze und (Stein‑)Bildhauer - Flachmaler und Dekorationsmaler - Dachdecker - Zwischenfazit 3. Sich spezialisierendes traditionelles Bauhandwerk - Tapezierer - Verputzer, Putzer und Gipser - Hersteller von Holzzementdächern - «Auf Feuerwerk geübte Backsteinmaurer» - Glaser für Spezialglas - Zwischenfazit und Ausblick 4. Neuerlich auf der Baustelle aktive Akteure des Bauwesens - Ersteller des Glasgewölbes über der Wartehalle - Konstrukteure des Eisendachwerks - Asphaltarbeiter - Parkettleger - Zwischenfazit 5. Neue Akteure und neu aufkommende Spezialfirmen - Monteure und Planer der Zentralheizung - Hersteller der Eisenbetonkonstruktionen - Lieferanten und Leger der Linoleumböden - Zwischenfazit 6. Kommunale Betriebe als Baustellenakteure 7. Vielfältigkeiten IV. Die Ausführung(en): Pluralismus und Formalisierungen 1. Produkte und Praktiken auf der Baustelle - Deckenkonstruktionen - Natursteine - Exkurs: Das Beschriftungssystem für die Werksteinblöcke - Dachziegel - Dachpappen, Steinkohlenteer und Asphaltierungen - Materialien und Techniken für das Flachmalen und Dekorationsmalen - Tapeten - Fussbodenbeläge und -arten - Gemeinsamkeiten und Einzelaspekte – Ein Zwischenfazit 2. Berechnete und bemessene Konstruktionen und Anlagen - Bauelemente aus Eisenbeton - Glasgewölbe - Eiserne Stabkonstruktionen - Heizungen und Ventilation, insbesondere Zentralheizungen - Wie (wissenschaftliche) Modellbildungen das Bauen und Planen veränderten – Ein Zwischenfazit V. Baugeräte und Baumaschinen: Optimierungen und Aushandlungen 1. Baugeräte, Baumaschinen, Baukräne – Vom Wandel der Begriffe 2. Traditionelle Baugeräte – Verbesserungen und Neuerungen - Kniehebel-Steinzangen (305). Bauwinden - Handkarren - Zwischenfazit Exkurs: Das Baugeräteangebot in Zürich 3. Neue und optimierte Anlagen für den Lastentransport - Laufkräne - Paternosterwerk - Zwischenfazit 4. Neue Baugeräte: Prozesse der Aushandlung VI. Wie sich die Praxis der Baustelle (nicht) änderte Katalog: Planung und Ausführung ausgewählter Bildhauerarbeiten Abkürzungsverzeichnis Quellen und Literaturverzeichnis Personenregister Sachregister


Pressestimmen

«Was die vorliegende Arbeit aber besonders lesenswert macht, ist, dass Rauhut nach den allgemeineren Feststellungen auch stets auf das konkrete Geschehen auf dem Bau in Zürich zurückkommt. Im Fall der Formalisierungsbestrebungen des 19. Jahrhundert stellt er die Frage, inwiefern die Bauprozesse selbst formalisiert(er) wurden: Gab es genormte Vergabeverfahren? Welche Rolle spielten Baupläne und die Verwendung von (genormten) Parametern bei Bauentscheidungen?  Die Studie zum Zürcher Stadthaus führt damit Forschungen in die Moderne, die bislang vor allem aus dem Hoch- und Spätmittelalter bekannt sind. [...] Rauhut ist ein beeindruckendes Werk gelungen, dem eine breite Rezeption zu wünschen ist. Ein Buch für Forschungsbibliotheken, den Einsatz im Proseminar und für den Nachttisch.»

Vollständige Rezension

H-Soz-Kult, 27. März 2019, Britta Kägler

«Wir kennen und schätzen die zahllosen städtischen «Gründerzeitviertel» oder die historischen Büro- und Geschäftshäuser, erfreuen uns am qualität- und oft phantasievollen Baudekor dieser Gebäude, doch über den einstigen konkreten Ablauf auf der Baustelle wissen wir wenig. Oder besser gesagt: wussten wir wenig, denn nach der Lektüre des vorliegenden Bandes ist unser Kenntnisstand ein ganz anderer. Rauhuts ungemein materialreiche Arbeit fußt auf einer exellenten Quellenlage, zu der neben den Bauakten auch das Bautagebuch des Stadthaus-Neubaus gehört. [...] Die Fülle der durch Rauhut vermittelten Detailinformationen zum Bauprozess erscheint schier unendlich und stets kontextualisiert der Autor diese Informationen mit zeittypischen Entwicklungen und Tendenzen am Bau [...].
Viel wichtiger ist, dass die tiefen Einblicke in die Prozesse auf einer Baustelle um 1900 das Buch von Christoph Rauhut zur Pflichtlektüre eines jeden Haus- und Bauforschers mit Interesse für diese – auch für das Bauwesen geltende – Umbruchzeit machen sollten. [...] Rauhuts Buch, das auch hinsichtlich der Gestaltung und selbst der Papierqualität keine Wünsche offen lässt, setzt [...] eine gewichtigen Akzent.»

Vollständige Rezension

Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2018, Herbert May

«Das Buch häuft nicht nur an, beschreibt nicht nur. [...] Das Buch analysiert vielmehr und das ist seine Stärke. [...] Mit der Dissertation von Christoph Rauhut hat der Leser eine überaus sorgfältig recherchierte und fundierte Untersuchung darüber, wie sich ‹Die Praxis der Baustelle um 1900› konkret und in allen Einzelheiten gestaltete. [...] Und gerade, dass es sich um einen gewöhnlichen städtischen Verwaltungsbau handelt, wie er überall vorkommt, macht den besonderen Wert des Buches aus.»

Sehepunkte, Ausgabe 18 (2018), Nr. 1, Manfred Hanisch, Kiel

«Insgesamt lässt sich [...] feststellen, dass die Dissertation, die inzwischen auch durch die Gesellschaft für Bautechnikgeschichte ausgezeichnet wurde, sehr sorgfältig recherchiert ist, einen komplexen Einblick in den Mikrokosmos einer Baustelle um 1900 bietet und durch eine gekonnte Leserführung glänzt. Die Druckqualität der reich bebilderten Abhandlung und des sich anschließenden Kataloges ist überdies hervorragend.»

Technikgeschichte, BD. 85 (2018) H. 3, Martin Meiske

«Das Buch von Christoph Rauhut [...] geht weit über eine einfache Darstellung der Baugeschichte hinaus. Anhand unzähliger Quellen [...] gibt der Autor ein detailliertes Bild einer Baustelle jener Zeit. [...] Der illustrierte Katalog der Bauplastik regt dazu an, das reichhaltig dekorierte Stadthaus ein nächstes Mal mit aufmerksam offenen Augen zu besuchen.»

Altstadt Kurier, Januar 2018, Matthias Senn

Es gelingt Rauhut «eine Geschichte der Baustelle zu schreiben, wie sie für ein vergleichbares Gebäude dieser Zeit noch nicht erarbeitet wurde und die vom Ansatz her ein wenig an Thomas Schumachers Standardwerk zum Weiterbau des Kölner Doms denken lässt. [...] Indem Rauhut seine Aussagen stets aus dem reichen Archivmaterial gewinnt, dieses aber kritisch hinterfragt und mit beispielhafter Stringenz die eingangs gestellten Thesen und Fragen abarbeitet, vor allem aber nirgends ins Spekulative oder Ausufernde verfällt (selbst dort nicht wo er das größere Ganze analysiert und sich in Bereiche der Wirtschafts-, Sozial- und Wissensgeschichte begibt), läuft er nicht Gefahr, die übliche Erfolgsgeschichte des späten 19. Jahrhunderts zu erzählen, wie das sonst so häufig geschieht.
Durch die exakte Beschreibung und Analyse der vielen Einzelvorgänge auf der Baustelle in Zürich entsteht vor dem Auge des Lesers ein deutlicheres und facettenreicheres Bild des Baugeschehens um 1900 als in den meisten bisherigen Untersuchungen. Für zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet der Bautechnikgeschichte muss Rauhuts Arbeit als vorbildlich gelten, zu Recht wurde sie im Mai 2017 mit dem Förderpreis der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte ausgezeichnet.

architectura, Heft 1/16, Friedmar Voormann

«Ein gründlich recherchiertes, inhaltsreiches und gut lesbar verfasstes Werk, das im Übrigen auch optisch eine Freude ist: grosszügig bebildert, sehr sorgfältig und schön gestaltet, Papier und Druck in tadelloser Qualität. Schön, wenn sich ein Verlag sowohl bei der Wahl seiner Autoren wie auch bei der Gestaltung der Bücher solche Mühe gibt.»

Kunst und Stein, Franziska Mitterecker

«Das Titelbild von Christoph Rauhuts Buch zeigt eine Momentaufnahme der Bauproduktion um die Jahrhundertwende und bündelt die Themen, die in der Publikation behandelt werden: die Organisationsstruktur der am Bau beteiligten Handwerker, Unternehmer und Planer, die zur Anwendung kommenden Baumaterialien, Produkte und Konstruktionen sowie die im Bauprozess eingesetzten Baugeräte und -maschinen. Rauhut untersucht, wie sich bautechnische Neuerungen mit traditionellen Arbeits- und Produktionsweisen überschneiden und wie diese den Bauprozess beeinflussen. Berücksichtigt werden technische Entwicklungen und wissenschaftliche Verfahren, aber auch ökonomische Voraussetzungen und soziale Bestrebungen im Bauwesen des 19. Jahrhunderts. Es entsteht ein vielschichtiger Fragenkomplex, den Rauhut an einem herausragenden Beispiel in der Stadt Zürich exponiert: dem von Gustav Gull von 1898 bis 1901 erbauten ‹Stadthaus Fraumünsteramt›.»

Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Band 74, Heft 3+4/2017, Cristina Gutbrod