Schule der Gesellschaft

Wissensordnungen von Zürcher Unterrichtspraktiken zwischen 1771 und 1834

Gebunden
2015. 384 Seiten, 1 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1299-7
CHF 48.00 / EUR 43.00 
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Die grossen gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen von 1798 und 1831 befeuerten Ambitionen auf radikale Reformulierungen der Bildungsprogramme. Zwischen solchen als neue Normen fixierten Ansprüchen und lokalen Praktiken bestanden jedoch Diskrepanzen. Obrigkeitliche oder fachdiskursive Normsetzungen trafen auf lokale sowie regionale Bedürfnisse und Vorstellungen von Schule. In zirkulierenden Aneignungen vermischten sich vor Ort tradiertes und rezipiertes Wissen und es entstanden je eigene Ausprägungen schulischer Praktiken.
Anhand eines reichhaltigen Quellenkorpus, das in der Hauptsache aus Antworten auf Schulumfragen aus den Jahren 1771 und 1799 sowie aus Berichterstattungen von Schulbehörden für das Jahr 1834 besteht, werden mehrere hundert Zürcher Schulen vergleichend in den Blick genommen. Die Autorin zeichnet ein differenziertes Bild schulischer Praktiken am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert.
Im Ergebnis weist die Studie über das Lokale hinaus regional ähnliche Unterrichtspraktiken nach und zeigt die dahinterstehenden gesellschaftlichen Wissensordnungen auf. Schule zu untersuchen bedeutet daher auch, die Gesellschaft zu untersuchen.

ist Historikerin und Dozentin am Zentrum für Schulgeschichte der Pädagogischen Hochschule Zürich. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören schulische Praktiken am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert; die Geschichte der Abstinenzbewegungen um 1900 sowie der Lehrerinnen- und Lehrerbildung.

Inhalt

1 Einleitung 1.1 Erkenntnisinteresse und Fragestellung
1.2 Schulgeschichte als Teil einer Geschichte der Gesellschaft
1.3 Curriculum als Forschungsbegriff
1.4 Curriculare Praktiken als räumliche Entfaltungen von Wissensordnungen
1.5 Anlage der Untersuchung und Vorgehen
1.6 Quellenkorpus und Auswahl der untersuchten Zeitpunkte
1.7 Auswahl der untersuchten Schulorte
- 1.7.1 Vorgehen bei der Ortsauswahl
- 1.7.2 Die Landschulen
- 1.7.3 Die Schulen in den Städten Zürich und Winterthur

2 Lernbereiche 2.1 Die Lernbereiche im 18. Jahrhundert – nichts als Religionsunterricht?
2.2 Lesen und Auswendiglernen 1771 und 1799
- 2.2.1 Kritik am memorierenden Lesen mit Blick auf mehr sittlich-moralische Erziehung
- 2.2.2 Dominanz der traditionellen Buchstabiermethode, neue Elemente spielerischen Lesenlernens
- 2.2.3 Die Lehrmittel für Lesen und Auswendiglernen im Zeichen kanonisierter Heterogenität und angeblich kindgerechter Didaktisierung
2.3 Schreiben 1771 und 1799
- 2.3.1 Effizienter und nützlicher Schreibunterricht? Eine Kontroverse um Zier- und Frakturschreiben oder orthografisches Kurrentschreiben
- 2.3.2 Zunehmende Didaktisierung von Methoden und Lehrmitteln des Schreibunterrichts
- 2.3.3 Wer lernte schreiben?
2.4 Lesen von Handschriften 1771 und 1799
- 2.4.1 Mittels beliebiger Inhalte zur Lesefähigkeit
- 2.4.2 Wer lernte Handschriften lesen?
2.5 Der Lese- und Schreibunterricht in den 1830er-Jahren: Lesen und Schreiben zusammen denken
- 2.5.1 Die Sprachlehre von Ignaz Thomas Scherr
- 2.5.2 Die Sprachlehre in den Volksschulcurricula der 1830er-Jahre
2.6 Rechnen 1771, 1799 und 1834
- 2.6.1 Rechnen: vom Rand in den Kern schulischer Zuständigkeit
- 2.6.2 Inhaltlicher Ausbau des Rechenunterrichts mit seinem steigenden Stellenwert bis 1834
- 2.6.3 Wer lernte im ausgehenden 18. Jahrhundert rechnen?
2.7 Marginale Fremdsprachen 1771, 1799 und 1834
- 2.7.1 Französisch
- 2.7.2 Latein
2.8 Realien 1771, 1799 und 1834
- 2.8.1 Der Siegeszug der Realien zu Beginn des 19. Jahrhunderts
- 2.8.2 Wissensvermittlung, Tugendbildung und Einpflanzung von (Vater-)Landsliebe. Zielsetzungen und inhaltliche Ausrichtungen des Realienunterrichts
- 2.8.3 Gesellschaftliche Selbstbeschreibungen und ihre Tradierung in den Lehrmitteln für Geschichte und Geografie

3 Rahmenbedingungen und Formen des Unterrichts 3.1 Klasseneinteilung zum Zweck der Ordnung und Tätigkeit aller Schulkinder
- 3.1.1 Der kollektive Einzelunterricht – kritisiert, aber bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fest etabliert
- 3.1.2 Die 1834 kaum eingelöste Forderung nach Jahrgangsklassen
3.2 Die Schulzeit im Konflikt mit der Arbeitszeit der Kinder
- 3.2.1 Die Schulzeit im ausgehenden 18. Jahrhundert
- 3.2.2 Die Schulzeit in den 1830er-Jahren
3.3 Betreuungs- und Geschlechterverhältnis
- 3.3.1 Betreuungsverhältnis zwischen Schulkindern und Lehrperson 1771, 1799 und 1834
- 3.3.2 Das Geschlechterverhältnis zwischen den Schulkindern im ausgehenden 18. Jahrhundert
3.4 Das Schullokal
- 3.4.1 Wissenskonflikte um ein ausdifferenziertes, allein der Schule vorbehaltenes Unterrichtslokal im ausgehenden 18. Jahrhundert
- 3.4.2 Der staatlich zwar normierte, aber nur wenig finanzierte Schulhausbau 1834

4 Ergebnisse der Untersuchung 4.1 Effizienz und Nützlichkeit als Orientierungspunkte schulreformerischen Wissens am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert
4.2 Curriculare Praktiken als Amalgame verschiedener Wissen
4.3 Regelmässige Entfaltungen von Wissensordnungen in curricularen Räumen
- 4.3.1 Curriculare Räume als geografisch zusammenhängende Kerngebiete mit fluktuierenden Rändern
- 4.3.2 Curriculare Räume durch strukturelle Nähe: Städte, Markt- und Kirchorte

5 Quellen- und Literatur 5.1 Archivalische Quellen
5.2 Gedruckte und edierte Quellen
5.3 Literatur
5.4 Historische Karten

6 Anhang 6.1 Karten
6.2 Verzeichnis der Schulorte und Kurznamen
6.3 Verzeichnis der Kirchgemeinden mit Schulorten und Zugehörigkeit zu den Verwaltungseinheiten


Pressestimmen

«Bereits die Skizzierung der Fragestellung De Vincentis verdeutlicht die Sorgfalt, mit der konzeptionelle Ausgangspunkte der Arbeit entwickelt werden. Mit vergleichbarer Sorgfalt wertet De Vincenti die Forschungsdiskussion auf empirischer wie auch auf konzeptioneller Ebene aus.»
Francisca Loetz, H-Soz-Kult