Der ideale Richter

Schweizer Bundesrichter in der medialen Öffentlichkeit (1875–2010)

Broschur
2014. 276 Seiten
ISBN 978-3-0340-1169-3
CHF 58.00 / EUR 47.50 
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Die Frage, welche Vorstellungen vom Richter und von der Funktionsweise des höchsten Gerichts in den Medien zirkulierten und wie diese Vorstellungen sowohl das richterliche Selbstverständnis als auch die breite Öffentlichkeit prägten, steht im Zentrum der vorliegenden Studie. Sie liefert damit einen unkonventionellen Beitrag zur Geschichte der Institution Justiz.
Der Autor untersucht Bilder der Bundesrichter in der medialen Öffentlichkeit von 1875 bis 2010. Dabei stützt er sich auf eine Quellengattung, die nicht über die richterliche «Realität», sondern vielmehr über richterliche Idealbilder Aufschluss gibt. Die Studie beruht auf einer Vielzahl von Würdigungstexten über Bundesrichter, welche zu Anlässen wie Tod, Rücktritt, Amtsjubiläum, Geburtstag oder akademischer Ehrung in den Medien erschienen sind. Das umfangreiche, nach einem diskursanalytischen Ansatz Foucault’scher Prägung ausgewertete Textkorpus ermöglicht es, Merkmale und Wandel des Richterbildes sowie Erwartungen an die oberste Justiz und Vorstellungen von ihrer Aufgabe und Rolle in der medialen Öffentlichkeit nachzuzeichnen. Des Weiteren wird die Reichweite und Wirkmächtigkeit dieses Diskurses dargestellt. So zeigt der Autor auf, wie prägend diese Idealvorstellungen für das richterliche Selbstverständnis waren und sind und wie stark sie einer breiten Öffentlichkeit bis in die jüngste Zeit den Rahmen des Sag- und Denkbaren vorgeben.

Stephan Aerschmann studierte Geschichte und Philosophie in Fribourg, Bern und Paris und promovierte in Zürich. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Luzern und als Gymnasiallehrer in Fribourg.

Inhalt

Einleitung Untersuchungsfeld
Stand der Diskussion
Bundesgericht und Öffentlichkeit
Untersuchungsrahmen
Quellen und Fragestellung
Methode
Korpusbildung
Darstellung und Aufbau

Justiz und Politik Enge Beziehung zwischen Justiz und Politik
Justiz: Antithese zur Politik
Personelle Verflechtung und Antithese zur Politik
Nichtpolitiker
Ehemalige Politiker
Fallbeispiel: Gerichtsurteile zur Einbürgerung (2003)

Theoretiker und Praktiker Veränderung der Richterprofile
Harmonische Verbindung von Theorie und Praxis
Theoretiker: Wissenschaftlich fundierte Praktiker
Primat der Praxis

Richterliche Tätigkeit Eine eindeutige Angelegenheit?
Kontroversen
Sichere und klare Urteile
Richterliche Orientierungskriterien
Rechtsgefühl, Naturrecht und gesunder Menschenverstand
Praktikabilität und Lebenswirklichkeit
Der Mensch steht im Mittelpunkt
Rechtliche Vorgaben
Fallbeispiel: Gerichtsurteil Elisabeth Kopp (1990)
Rechtsentwicklung
Richteramt, Charakter und Lebensführung
Richterliche Selbstbeschreibungen
Typische Charaktermerkmale und Lebensführung
Still und bescheiden
Arbeitsam und einsatzbereit
Hilfsbereit und liebenswürdig
Angesehen und bekannt
Gebildet und kultiviert
Fallbeispiel: Spuckaffäre Martin Schubarth (2003)
Der Richter als eigenwillige Persönlichkeit
Der Richter als zügiger Entscheider

Fazit und Ausblick


Pressestimmen

«Es wird ein breites Bild von der Entwicklung der Fremd- und Selbstwahrnehmung der richterlichen Funktion am schweizerischen höchsten Gericht von dessen Anfängen bis zur Gegenwart gezeichnet. Nicht die ‹Realität› des Richterberufes steht dabei im Zentrum, sondern die Idealbilder des Richters, wie sie in einer Vielzahl von Würdigungen in Publikationen zu Anlässen wie Tod, Rücktritt, Amtsjubiläum, Geburtstag oder akademischer Ehrung zum Ausdruck kommen. […]. Der Verfasser hat dieses Material mit Scharfsinn und quellenkritischem Gespür ausgewertet. […] Die Darstellung ist klar und alle zentralen Thesen werden mit vielen interessanten Beispielen belegt. Durch die wörtlichen Quellenzitate entsteht ein lebhaftes Bild der unter die Lupe genommenen Bundesrichter. Ein Fazit und der Ausblick auf andere Forschungsperspektiven runden diese originelle Studie ab.»

Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Germanistische Abteilung), Roy Garré

«Das Buch von Stephan Aerschmann ist gekonnt geschrieben und stellenweise geradezu unterhaltsam zu lesen. Besonders spannend ist, wie im Quervergleich der — entsprechend der untersuchten Textsorte — durchwegs lobend gehaltenen Beschreibungen recht unterschiedliche Persönlichkeiten sichtbar werden, und wie sich im Umkehrschluss erschliessen lässt, inwiefern die Gewürdigten denn noch nicht ganz so ideal gewesen sein mögen. Wer wissen möchte, was sich die quasi offizielle (wie auch die leserbriefschreibende) Öffentlichkeit unter dem idealen Richter seit Bestehen des Bundesgerichts vorgestellt hat, findet hier reichhaltiges Material, eine gelungene Analyse und manche Anregung für weiterführende Gedanken.»

Justice – Justiz – Giustizia, Hans-Jakob Mosimann

«Die Studie bietet eine Fülle von interessanten Hinweisen. […][Es] bieten sich interessante Einblicke aus diesem unkonventionellen Blickwinkel, die immer wieder nachdenklich werden lassen.»

Deutsche Richterzeitung, Joachim Vetter

«Das […] Werk ist reich an biografischen Daten, enthält gute Fallbeispiele und beschreibt zahlreiche Einzelpersönlichkeiten. […] Aerschmanns Werk stellt eine Fundgrube dar.»

Bücher am Sonntag (NZZ am Sonntag), Urs Rauber

«Wer sich mit dem langjährigen Bild der Bundesrichter in der Öffentlichkeit auseinandersetzen und nebenbei noch etwas über die (historische) Diskursanalyse erfahren will, dem kann […] das gut redigierte Buch zur Lektüre empfohlen werden.»

Schweizerische Juristen-Zeitung, Hans Mathys

«Stephan Aerschmanns Studie zum Bild des ‹idealen Richters› erschien zur rechten Zeit: Die Rolle von Justiz und Gerichten, und damit von Richterinnen und Richtern, ist in der Schweiz in den letzten Jahren verstärkt in den Brennpunkt der politischen Auseinandersetzung und der medialen Berichterstattung gerückt. Zur Geschichte der Justiz im Schweizerischen Bundesstaat hingegen ist geschichts-, sozial- und kulturwissenschaftlich bis vor kurzem noch kaum geforscht worden. [...]. In der Einleitung legt der Autor überzeugend dar, weshalb Würdigungstexte über Richter am Lausanner Bundesgericht, die anlässlich von Todesfällen, Rücktritten, Amtsjubiläen oder dergleichen verfasst wurden, eine ausgezeichnete Quellengattung darstellen, um das richterliche Idealbild sowie die mit diesem verknüpften populärwissenschaftlichen Vorstellungen zur Funktionsweise der Justiz zu studieren. [...]. Die Binnenanalyse zeugt von sorgfältiger Arbeit und fördert spannende Erkenntnisse bezüglich der charakterlichen Ausstattung des idealen Richters und deren diskursiven Funktion zutage. [...]. Der ideale Richter [leistet] einen frühen, empirisch gesättigten Beitrag zur historischen Erforschung der Justizeliten der modernen Schweiz und behandelt einen Gegenstand, der im politischen Zeitgeschehen und in der Forschung aktuell bleiben dürfte.»

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Jonathan Pärli