Interesse an seelischer Brüchigkeit
Karl Gehry (1881–1962), Psychiater in der Klinik Rheinau
Gebunden
2013. 231 Seiten, 73 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1159-4
CHF 38.00 / EUR 34.00 
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Die Lebensgeschichte von Karl Gehry stellt einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Psychiatrie- und Militärgeschichte dar. Anhand seiner umfangreichen Memoiren sowie von Briefen, die bis ins Jahr 1920 reichen, dokumentiert die Autorin das Leben eines sozialen Aufsteigers zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der es dank Intelligenz und Ehrgeiz bis zum Direktor der Psychiatrischen Klinik Rheinau brachte. Seine Hinwendung zur Psychiatrie gründet in seinem «Interesse an seelischer Brüchigkeit». Das Wohl der Kranken steht für ihn stets an erster Stelle. Im Verlaufe seiner über dreissigjährigen Tätigkeit in der Rheinau führt er zahlreiche Neuerungen ein. Dennoch hegt er immer wieder Zweifel an der Psychiatrie und übt Kritik an deren namhaften Vertretern, unter andern Eugen Bleuler.
Militärdienst war für Karl Gehry als Patriot eine Selbstverständlichkeit. Als Truppenarzt leistet er zur Zeit des Ersten Weltkrieges über viele Monate Grenzdienst im Jura, im Engadin und am Rhein. Seine Memoiren liefern eine zunehmend kritische, stellenweise humoristische Innenansicht seines Regimentes und damit der Schweizer Armee. Ebenfalls kritisch kommentiert er den Landesstreik und seine Akteure; bei seinem Einsatz während des Ordnungsdienstes in der Stadt Zürich im November 1918 erkennt er manche Missstände in der Behandlung der an der Spanischen Grippe erkrankten Soldaten. Karl Gehry war ein den Menschen und den Lebensgenüssen gleichermassen zugewandter Mann und auch ein passionierter Familienmensch. Doch auch er blieb von harten Schicksalsschlägen nicht verschont.

lebt und arbeitet als freischaffende Historikerin in Wädenswil. Autorin mehrerer Publikationen zur Glarner und Zürcher Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten Sozial- und Alltagsgeschichte, Mitarbeiterin beim Historischen Lexikon der Schweiz, Redaktorin des Jahrbuches des Historischen Vereins des Kantons Glarus.

Inhalt
Einleitung
Karl Gehry und seine Memoiren
Die Zürcher Psychiatrie um 1900

Das familiäre Umfeld
Die Verwandtschaft
Die Eltern und Halbbruder Heiri

Kindheit und Schulzeit in der Stadt
Der Primarschüler
Ferien und Feste
Strassen- und Stadtbild
Der Kantonsschüler
Vom Zipfelhaus an die Wolfbachstrasse
Freunde fürs Leben

Ausbildung und Liebe
Der Rekrut
Der Medizinstudent
Erste Stellvertretungen
Mitglied der Utonia
Frieda

Psychiater in der Rheinau
Von der Pflegeanstalt zur psychiatrischen Klinik
Der Assistenzarzt
Der Sanitätsoffizier
Rheinau – nur eine Zwischenstation?
Überfall auf Direktor Ris
Heirat und weiterer beruflicher Aufstieg
Der Sekundararzt
Berufliche Engagements, Hoffnungen und Enttäuschungen
Häusliches Glück und militärisches Ärgernis
Die Kaisermanöver
Klinik und Öffentlichkeit
Differenzen mit Bleuler

Der erste Weltkrieg und die Spanische Grippe
Die Mobilmachung
An die Grenze nach Pruntrut
Aktivdienst im Oberengadin und am Rhein
Erneut in der Westschweiz
Auswirkungen des Krieges auf die Klinik Rheinau
Tod der Eltern
Die Spanische Grippe – Ordnungsdienst in Zürich

Ausblick auf das weitere Leben Karl Gehrys

Textauszug
Liebeswerben

«Mein einziges, herziges Lieb!
Wo ich gehe und stehe, muss ich in diesen Tagen Deiner gedenken. Ein wildes Sehnen macht mich erschauern. Ich träume wachend von Deinem Kusse und sitze ich einen Augenblick still, so ist mir, Deine kleine Hand schiebe sich liebkosend um meinen Hals. Ich habe Angst mitten in diesem seligen Zustand, denn jede Kraft fehlt mir, aus dem zauberhaften Traum zu energischer Arbeit zurückzukehren. Geliebte, was machst Du aus mir? […] Mein Gott, Friedy, ich fürchte die Einsamkeit hier; sie lässt den glückverlangenden Träumen zuviel Raum. Und es ist so süss, mich wie in frühern Stunden Dir hinzugeben. Der Verstand sträubt sich, der Sehnsucht des Herzens zu unterliegen; Liebste, ich bin nicht mehr ich selbst, seit mich diese Weichheit gepackt hat.»

Aus einem Brief von Karl Gehry an Frieda Knecht, 18. Januar 1906
,In der Pflegeanstalt Rheinau

«Im hintersten linken Winkel des Tisches liegen ein Haufen Briefe von Patienten, welche ich durchsehen sollte. […] Einer hält m

Pressestimmen
«Karl Gehry hat seine Lebensgeschichte in fortgeschrittenen Jahren aufgezeichnet, nachdem er als Direktor der Pflegeanstalt Rheinau zurückgetreten war und in Rheinau eine Praxis übernommen hatte. Susanne Peter-Kubli macht uns diese interessante Quelle, im handschriftlichen Original weit über tausend Seiten, in sinnvoll gekürzter Form zugänglich. Ausgewählte Passagen werden im Wortlaut zitiert und in den geschichtlichen Zusammenhang gestellt. Es entsteht das plastische Bild einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit, die als Arzt, Familienvater, Staatsbürger und Sanitätsoffizier vielerlei Aufgaben wahrnahm, ohne sich den vergnüglichen Seiten des Lebens zu verschliessen. […] Ein flüssig geschriebenes und schön illustriertes Buch, das einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Medizingeschichte, sondern auch zur Sozialgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert darstellt.» Urs Bitterli, Journal21