Mit einem subtilen Zusammenspiel von Relief, Malerei und Skulptur, wandelbaren Ansichten und einer feinsinnigen Interaktion mit dem Raum hält das spätmittelalterliche Schnitzretabel ein variationsreiches Schauangebot bereit. Von einem medialen Zugang ausgehend, nimmt die Studie zum Krakauer Marienretabel von Veit Stoß (1477–1489) diese Aspekte gezielt in den Blick.
Charakteristisch für Krakau ist ein hoch reflektierter Umgang mit dem Medium Schnitzretabel, wobei raffiniert mit konventionellen Sehgewohnheiten und damit zusammenhängenden Seherwartungen gespielt wird. Woher nimmt Veit Stoß in seinem ersten Großauftrag solch selbstbewusste mediale Reflexionen? Eine Einbettung in den Kontext der Krakauer Kunst sowie in das theologische, philosophische und humanistische Umfeld in Krakau geht Parallelen zu zeittypischen Diskursen nach, innerhalb deren Veit Stoß seine künstlerische Position gefunden hat. Dabei kam es – weit mehr als ein Nebeneffekt – zu einem Wettstreit mit Rogier van der Weyden, der seinerzeit als «maximus pictor» galt. Einmal für die Medialität Stoß’scher Skulptur sensibilisiert, erscheint auch das weitere Œuvre des Künstlers in einem erhellend neuen Licht.
Mediale Zugänge
Flügelretabel und Medialität
I. Reflexion von Medialität im Mittelalter
II. Medienwahrnehmung im Mittelalter
III. Intermedialität im Schnitzretabel
IV. Medienwechsel. Zur Wandelbarkeit des Flügelretabels
V. Medientechnik I – Retabel und Raum
VI. Medientechnik II – Retabel und Betrachter
Die medialen Techniken des Krakauer Hochaltarretabels im Kontext ihrer Entstehungsbedingungen
I. Das Krakauer Hochaltarretabel in medialer Perspektive
- 1. Ursprüngliches Aussehen von Retabel und Raum
- 2. Interaktion von Retabel und Raum
- 3. Dialoge zwischen Retabel und Betrachter
- 4. Wandelbarkeit – Eines Retabels mit Standflügeln?
- 5. Intermedialität – In einem rein skulptierten Retabel?
- 6. Die medialen Techniken des Krakauer Hochaltarretabels
II. Entstehungsbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten im spätmittelalterlichen Krakau
- 1. Stiftungspolitik in Kirche und Stadt
- 2. «Nova tabula ymaginum alias tablicza ad sumum altare»
- 3. Die spätmittelalterliche Kunst in Krakau
- 4. Ein produktives Maß an Druck und künstlerische Freiheit in der Peripherie
Die Medialität des Krakauer Marienretabels zwischen Bild und Kunst
I. Das Verhältnis von Sujet und Medium
- 1. Inkarnation, «Transitus» und Himmelfahrt – von der Immanenz zur Transzendenz
- 2. Mediale Reflexionen – Verkörperung und Entkörperlichung geschnitzter Bilder
- 3. Aktualisierung der Ereignisse im Kirchenraum
- 4. Analogien zwischen Sujet und Medium
II. Theologie, Frömmigkeit und Philosophie im spätmittelalterlichen Krakau
- 1. Die «assumptio animae et corporis» und die franziskanische Frömmigkeit in Polen
- 2. Die «Devotia moderna» in Krakau und das Individuum als «templum dei»
- 3. Diskurse um Seele und Leib, Form und Materie in Krakau
- 4. Eine Medialität an der Schwelle zur Neuzeit
III. Auf der Suche nach den Eigenschaften des Mediums Skulptur
- 1. Gemalte Skulpturen bei Rogier van der Weyden – geschnitzte Bilder bei Veit Stoß
- 2. Das Material sprechen lassen. Krakauer Bildwerke in Stein
- 3. Neue Wege in Nürnberg. Materialverwandlungen
- 4. Künstlerische Neugierde. Die Erforschung von Material und Medium
- 5. Argumente des Paragone in der Skulptur von Veit Stoß
Mediale Perspektiven
Diese Buchreihe vereinigt Studien des gleichnamigen Nationalen Forschungsschwerpunkts sowie mediengeschichtliche Arbeiten. Sie rückt die Zeit vor der Ausbreitung der Massenmedien und insbesondere die medialen Verhältnisse der Vormoderne ins Zentrum. Damit ermöglicht sie Einblicke in die Andersartigkeit älterer Kommunikationsformen und erlaubt es gleichzeitig, Voraussetzungen für die mediale Formierung der Neuzeit zu ergründen.
«Es gelingt der Autorin, neue methodische Zugänge im Diskurs um die Flügelaltäre fruchtbar zu machen. […] Die rezeptionsästhetischen Phänomene werden sehr präzise und anschaulich beschrieben.»
Susann Kretschmar, Mediaevistik