Wir glauben meist zu wissen, was wir gesagt und getan haben, weil wir sagen und tun, was wir wollen. Dieser im Alltag wohl notwendige Glaube prägte einflussreiche Konzeptionen von Subjektivität in der Moderne: Seit Descartes wurde auf das Subjekt zurückgegangen, um unser Wissen von der Welt zu begründen. Im Zuge des linguistic turn setzt sich im 20. Jahrhundert jedoch die Erkenntnis durch, dass neben geschichtlichen und sozialen Bedingungen die Sprache dem Subjekt vorausgeht. Es kann sie bestenfalls gemäss der eigenen Intention einsetzen. Die so genannte Postmoderne bezweifelt auch dies: Wir haben unser Sprechen nicht so sehr im Griff, wie wir glauben wollen, weil wir uns seine vielfältigen Bedingungen nicht gänzlich bewusst zu machen vermögen. So können uns «eigene» Fehlleistungen überraschen, und unsere Rede hat unerwartete Bedeutungen und Auswirkungen. Sie erregt bei Anderen vielleicht Hoffnungen oder verletzt sie gar, ohne dass wir dies beabsichtigt hätten. Ob in intimen Gesprächen oder politischen Konflikten, unsere Äusserungen zeitigen Sinn über unsere Intention und Wahrnehmung hinaus.
Mit dem allzu lange hitzig diskutierten «Tod des Subjekts» hat dieser Befund aber wenig zu tun. Anhand von Jacques Derrida zeigt Arno Schubbach vielmehr, wie Subjektivität neu zu fassen ist. Derrida argumentiert zwar in seiner Kritik an Husserl, dass Subjekten selbst der Sinn der eigenen Rede nicht unzweifelhaft gegeben sein kann, weil ihnen ihre vorgängigen Bedingungen nicht vollkommen bewusst sind. Er leitet daraus aber nicht wie Strukturalisten von Saussure bis Bourdieu die Forderung ab, mit der sozialen Praxis auch die involvierten Subjekte zu objektivieren. Vielmehr beharrt er auf deren irreduzibler Rede und Erfahrung: «Subjekte im Verzug» müssen ihre Rede wagen, ohne sie vollkommen beherrschen oder erfassen zu können. Sie stehen daher in einer Verantwortung, die sich nicht auf ihr Wissen um ihr Handeln und seine Folgen gründet.