Seit den 1990er Jahren verstärkt sich in der Schweiz die Aufmerksamkeit für religiöse Forderungen nichtchristlicher Minderheiten insbesondere durch Anliegen, welche muslimische Gläubige an Behörden und Öffentlichkeit formulieren. Vorstösse dieser Art lösen immer wieder heftige Diskussionen darüber aus, welchen Platz Religion innerhalb der Gesellschaft einnehmen soll, und mehr noch darüber, wie das Zusammenleben in einer «multikulturellen» Gesellschaft ausgestaltet werden soll. Dabei geht es um politisch-normative Grundlagen im Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt. Diese letzteren, dominierenden Debatten drehen sich um den Begriff Integration, sind stark politisiert und werden in der Öffentlichkeit - nicht zuletzt wegen ihrer Thematisierung von Konflikten - breit wahrgenommen. Insbesondere religiös definierte gesellschaftliche Vielfalt stellt aktuell ein ganz zentrales politisches Thema dar. Gleichzeitig hat sich aber gerade die Politisierung der Debatten um religiöse Anliegen wiederholt erschwerend auf den Umgang mit religiöser Vielfalt ausgewirkt.
Die vorliegende Studie lenkt den Fokus von der vorherrschenden konfliktorientierten Betrachtungsweise ab und verfolgt einen lebensweltlichen Zugang zur religiösen Vielfalt in der Schweiz. Zum einen untersucht sie vergleichend das Bestattungswesen in Basel, Bern und Zürich und beobachtet, wie BeamtInnen, Vermittlungspersonen sowie Angehörige jüdischer, muslimischer und hinduistischer Religionsgemeinschaften im konkreten Fall mit religiösen Anliegen umgehen. Zum anderen gewinnt sie durch den Einbezug der jüdischen Gemeinschaften eine historische Perspektive. In diesem Sinne ist die Studie als prozessorientierte Ethnographie zu verstehen, die bisher eher unbeachtete Aspekte aufzeigt, welche das Zusammenleben in pluralen Gesellschaften charakterisieren. Sie weist nicht nur interessante Entwicklungen im Umgang mit kulturell-religiösen Anliegen in der Schweiz nach, sondern ermöglicht auch, diese Entwicklungen zu kontextualisieren und damit den Ursachen für Veränderungen nachzugehen.