Jakob Rufs Werk erlaubt den Lesern einen 360-Grad-Blick in eine vergangene, fremd-vertraute Zürcher Alltagswelt. Die Jahrzehnte zwischen 1500 und 1560 bringen für die Stadt Zürich und die Eidgenossenschaft unerhörte Umwälzungen. Das uvre dieses praktisch unbekannt gebliebenen Publizisten vergegenwärtigen sie aus einer aktiv-mitgestaltenden und einer reflektorischen Optik. Der biografisch orientierte erste Band der Gesamtausgabe Leben, Werk und Studien erscheint als Begleitpublikation zur Ausstellung botz. Jakob Ruf, ein Zürcher Stadtchirurg und Theatermacher im 16. Jahrhundert, Strauhof Literatur Ausstellungen Zürich (14. März 2006 bis 21. Mai 2006).
Meister Jakob Ruf (um 1505-1558) gehörte zu jenen gelehrten Handwerkschirurgen der frühen Neuzeit, die einer Stadt erhebliches Prestige verschaffen konnten, die gleichzeitig aber auch ihre kulturelle und politische Szenerie beobachteten und mitzuformen suchten. Sein Engagement als gelehrter Autor medizinischer Schriften auf Deutsch und Lateinisch, als Theaterautor und -regisseur steht in einer Wechselwirkung mit der Autorität, die er als Stadtchirurg im städtischen Spital, als amtlicher Ausbildner und Prüfer der Stadtzürcher Hebammen erwirbt. Rufs öffentliche Freilichttheater, seine Spieldrucke und Lieder befassen sich mit den politischen Mythen der Eidgenossenschaft und religiösen Verhaltens- und Erziehungsmodellen, seine Flugblätter, Kalender und Prognostiken mit astrologisch-medizinischen Praktiken sowie Wunder- und Zeichendeutungen. Sein Selbstverständnis orientierte sich am Modell des humanistischen Gelehrten, was den Handwerkschirurgen zu einer sozial-, medizin- und literaturhistorischen Schwellenfigur seiner Zeit und zu einem bislang kaum wahrgenommenen Mitglied der Kommunikationsgemeinschaft der Zürcher Gebildeten macht.