Dicke Bücher unter Druck
Prominente Nachschlagewerke des öffentlichen Verkehrs und der Telekommunikation feiern Geburtstag. Vor 100 Jahren ist in der Schweiz das erste Kursbuch erschienen und vor 125 Jahren das erste Telefonbuch. Die beiden Handbücher bilden die Entwicklung von Technik und Zeitgeist ab; sie gehen einer ungewissen Zukunft entgegen.
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Das Telefonbuch - leiser Schwanengesang zum Geburtstag
Nicht ganz so rund wie das Jubiläum des Kursbuchs ist jenes eines anderen gesamtschweizerischen Registers, des Telefonbuchs. Immerhin darf dieses aller elektronischen Konkurrenz zum Trotz für sich in Anspruch nehmen, nach wie vor flächendeckend verbreitet zu sein. Wie eh und je wird es allen Personen, die mit einer Nummer eingetragen sind, gratis zugestellt. Nimmt man alle Bände von 1 (Genf) bis 25 (Graubünden) zusammen, beträgt seine Jahresauflage fünf Millionen, und das Gewicht allein des Bandes 21 (Stadt Zürich) drückt mit 1,65 Kilogramm auf die Waage. Demgegenüber waren die Anfänge vor 125 Jahren bescheiden; 99 Namen enthielt die gedruckte «Liste der Sprechstationen» der «Zürcher Telephon-Gesellschaft» von 1880. Die eineinviertel Jahrhunderte Geschichte boten der Swisscom Directories AG, welche die Verzeichnisse der Telefonanschlüsse in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein seit 1999 herausgibt, Anlass für eine Jubiläumsschrift. Diese orientiert sich, was die Gestaltung angeht, an den gegenwärtigen Telefonbüchern im Format A4.
Von den roten Zahlen zur Rentabilität
In der ansprechenden Publikation wird der lange Weg nachgezeichnet von den Abonnentenverzeichnissen der lokalen, erst auf die grösseren Städte beschränkten Telefonnetze hin zum nationalen Telefonbuch der PTT, das wegen der Zunahme an Daten immer stärker regional ausdifferenziert werden musste. Ein Weg auch, den diese allgemein zugängliche Form alphabetisch geordneter Demographie zum grössten Teil als amtliches Dokument zurücklegte, das auf Werbeeinnahmen nobel verzichtete und den einstigen gelben Riesen noch in den achtziger Jahren 20 Millionen Franken pro Jahr kostete. Mittlerweile sind Inserate in den Spalten des Registers von Namen und Nummern gang und gäbe und die roten Zahlen passé. Über die genauen Summen, die unter dem Strich resultieren, schweigt sich die Directories AG aus; sie gehört zu 51 Prozent der Swisscom und zu 49 Prozent der LTV AG, die hinter dem Branchenverzeichnis «Gelbe Seiten» steht.
Reflektiert wird in dem illustrierten Rückblick auch der Wert des Telefonbuchs als historische Quelle; dieser hat gelitten, seit 1992 die Eintragspflicht abgeschafft wurde. Hinzu kommen Gespräche mit dem langjährigen Chefredaktor aus PTT-Zeiten und mit dem Geschäftsführer von Swisscom Directories. Verfasser und Gestalter des Jubiläumsbandes haben sich offensichtlich bemüht, die Zukunft der zu einer nationalen Institution gewordenen Verzeichnisse aus Papier nicht in Frage zu stellen. Trotzdem ist bei der Lektüre ganz leise die Melodie eines Schwanengesangs zu vernehmen, vor allem in den Testimonials von mehr oder weniger prominenten Zeitgenossen, die davon schreiben, wie sehr das Telefonbuch für sie «eine Herzensangelegenheit» sei, auch oder gerade weil es sich «still und leise» aus ihrem Alltag «davongemacht» habe.
Swisscom Directories AG (Hg.): Bestseller der Nation - das Buch zum Telefonbuch. Chronos-Verlag, Zürich 2005. 259 S., Fr. 48.-. Zur Ausstellung: www.mfk.ch
Neue Zürcher Zeitung INLAND Mittwoch, 28.12.2005 Nr.303 15
Publiziert mit freundlicher Genehmigung der NZZ
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