Am 18. März 1733 musste sich der Luzerner Johannes Büelmann vor dem Schwyzer Rat verantworten. Er meinte, der Landammann stinke ärger als ein Pudelhund, und die Herren hätten die Freiheit verkauft. Joseph Anton Stadler aber «seye unschuldig hingerichtet worden, es seyen deswegen lilyen aus seinem grab gewachsen, ja man werde noch seinen besatz halten und entheben wie den heiligen Bruder Claus». Stadler war 1708 geköpft worden, sein Grab wurde zur Pilgerstätte für Leute, die an Ideale glaubten, die sich von der politischen Praxis der Mächtigen fundamental unterschieden. In der populären Memoria war der Hingerichtete ein Märtyrer der Freiheit, so wie Bruder Klaus als Friedensstifter und politischer Mahner galt. Stadler hatte tatsächlich fundamentale Reformen initiiert. Er revitalisierte die Landsgemeinde, indem er ihr Kompetenzen zusprach, die vom Rat usurpiert worden waren. Der Rothenthurmer Wirt entwarf ein Programm, das die Geschlechterherrschaft eindämmte und bis ins 19. Jahrhundert hinein wirksam blieb. Er beherrschte ein erstaunliches Repertoire an politischen Techniken, war ein grosser Redner und ein fanatischer Hexenjäger, gleichzeitig kooperierte er mit den Toggenburgern in deren Rebellion gegen den St. Galler Fürstabt. Sein Bruder, Mönch in Einsiedeln, versuchte, die Allmacht der Landsgemeinde theoretisch zu begründen, die bodinsche Souveränitätslehre rezipierend. Doch überschätzte Stadler seine Ressourcen, die sich auf Dauer nicht mit jenen der Soldunternehmer messen konnten. Der Wendepunkt seiner Karriere war die Konfessionalisierung der Toggenburger Revolte.
Der «Stadler-Handel» ist einer von fünf Landsgemeindekonflikten in Appenzell, Zug und Schwyz, die in dieser Arbeit beleuchtet werden. Wurden sie von der Forschung bisher als Klientelkämpfe um Pensionsgelder und Landesämter gedeutet, so gelangt der Autor zu ganz anderen Schlüssen. Er betont die prinzipiellen Anliegen der Opponenten und untersucht das Charisma der Anführer, das sich aus dem Zusammenspiel von politischer und religiöser Kultur, kulturellem Gedächtnis, konsistentem Denken und Tun sowie individuellem Handlungsrepertoire heraus begründete. Die Unterschiede waren gross: War Joseph Anton Schuhmacher, der Exponent im Zuger «Harten- und Lindenhandel», ein staatsrechtlich geschulter Asket, so bestach der Gontener Badewirt «Seppli» Sutter durch Witz und Grosszügigkeit, ganz Volksmann. Seine Rehabilitierung von 1829 wurde in der Ostschweiz von den regenerativen Kräften gefeiert. Die Landsgemeindekonflikte des 18. Jahrhunderts sind also auch für das Werden der modernen Schweiz von einiger Bedeutung.