Grenzen überschreiten

Die Aargauer Gemeinde Bergdietikon seit dem Mittelalter

unter Mitarbeit von Martin Lengwiler, Beat Brunner und Verena Ungricht

Gebunden
2003. 146 Seiten, durchgehend illustriert
ISBN 978-3-0340-0582-1
CHF 38.00 / EUR 23.80 
E-Book (pdf)
2023. 146 Seiten
ISBN 978-3-0340-5582-6
CHF 18.00 / EUR 18.00 
  • Kurztext
  • Autor/in
  • In den Medien

Bergdietikon ist ein Kind der Französischen Revolution! Das Gebiet wurde im Zuge der territorialen Neuordnung durch die Helvetische Republik 1798 von der Muttergemeinde Dietikon abgetrennt und musste sich im 19. Jahrhundert tragfähige Institutionen und soziale Strukturen schaffen.
Bergdietikon ist ein Grenzfall! Die Gemeinde liegt im Limmattal am östlichen Rand des Kantons Aargau, im südöstlichen Zipfel des Bezirks Baden. Von beiden ist Bergdietikon durch die topografischen Gegebenheiten deutlich getrennt und neigt wirtschaftlich wie kulturell dem Kanton Zürich zu. Dietikon, die ehemalige Muttergemeinde, wurde 1803 dem Kanton Zürich zugeteilt.
Bergdietikon ist ein Autodorf! Bis zum Zweiten Weltkrieg veränderte sich Bergdietikon nur wenig. In den Boomjahren ab den 1950er Jahren wuchs die Gemeinde von 500 auf 2300 Einwohner und entwickelte sich vom ärmlichen Bauerndorf zur ausgesuchten Wohnlage im Grünen.

Der Historiker Patrick Zehnder interessiert sich für strukturelle und soziale Fragestellungen der Regionalgeschichte. Er ist freier Mitarbeiter des Historischen Lexikons der Schweiz und Verfasser verschiedener kleiner Publikationen zu Lokalgeschichte. Patrick Zehnder unterrichtet an der Aargauischen Kantonsschule Baden und lebt mit seiner Familie in Birmenstorf (AG).

Besprechungen

Bergdietikon und das Problem der Grenzen

Ortsgeschichte zum 200-Jahr-Jubiläum erschienen

vö. Das einst ärmliche Bauerndorf Bergdietikon zählt heute zu den privilegierten Wohnlagen im Limmattal. Der Zuzug von gut situierten Autopendlern beschert der mittlerweile 2300 Einwohner zählenden, oberhalb des zürcherischen Dietikon gelegenen Aargauer Gemeinde zwar Wohlstand. Er schafft aber auch Verkehrs- und vor allem grosse Identitätsprobleme. Die Suche nach deren Wurzeln bildet das Leitthema der kürzlich erschienenen Bergdietiker Ortsgeschichte. Der Titel «Grenzen überschreiten» thematisiert die Erkenntnis des Hauptautors Patrick Zehnder, der die Identitätsprobleme der jungen Gemeinde auf verschiedene Grenzsituationen zurückführt.

Grenzen

Als Wendepunkt bezeichnet der 35-jährige Historiker die Ziehung der Kantonsgrenze zwischen Bergdietikon und Dietikon im Jahre 1803, welche die Entwicklung des aus mehreren Weilern zusammengesetzten Bauerndorfes im Vergleich zur einstigen Muttergemeinde Dietikon gehemmt habe. Auch aus der Sicht des Kantons Aargau nimmt Bergdietikon laut Zehnder eine Randstellung ein, die von der topographischen Lage hinter den Wäldern am Heitersberg herrührt. Und schliesslich hätten die flächenmässige Ausdehnung und die weit verzweigte Siedlungsstruktur vorerst ein kontinuierliches Wachstum verhindert. Deshalb hätten die Bergdietiker Weiler und Höfe ihren frühneuzeitlichen Siedlungscharakter bis in die 1950er Jahre beibehalten. Wie am Beispiel von separaten Schulgemeinden oder Milchgenossenschaften in den Weilern Vorder- und Hinterberg belegt wird, prägten Abgrenzungen innerhalb der Gemeinde die Bergdietiker Identität.

Gespräche mit Zeitzeugen

Das Projekt einer Ortsgeschichte Bergdietikons wurde im Hinblick auf die Feier des 200-jährigen Bestehens der Gemeinde initiiert, deren Gründung gemäss lokaler Geschichtsschreibung 1803 erfolgte. Wie Patrick Zehnder herausgefunden hat, feiern die Bergdietiker allerdings fünf Jahre zu spät. Bereits 1798 sei von einer eigenständigen «Munizipalgemeinde ob Dietikon» die Rede, heisst es im ersten Kapitel der leserfreundlich aufbereiteten Chronik, die unter der Federführung des Büros Focus entstanden ist.
Neben Projektleiter Martin Lengwiler und Hauptautor Patrick Zehnder arbeiteten mit Historikerin Verena Ungricht und Forstingenieur Beat Brunner auch zwei Einheimische an der Publikation mit, für die ein Gesamtkredit von 150 000 Franken eingesetzt wurde. Ungricht und Brunner verfassten nicht nur je ein Kapitel, sondern stellten auch Kontakte zu Alteingesessenen her, deren Wissen in die Ortsgeschichte eingeflossen ist. Gerade angesichts der spärlichen Quellen zum Alltag und der Lücken in den Gemeindeprotokollen zwischen 1800 und 1950, die laut Zehnder ebenfalls mit der Grenzlage zu tun haben, lieferte ihm die Methode «Oral History» (mündlich überlieferte Geschichte) wertvolles Informationsmaterial. Tatkräftig unterstützt hat ihn zudem Gemeindeschreiber Urs Spörri.
Obwohl gewisse Kapitel bis ins Mittelalter zurückreichen, konzentriert sich die Ortsgeschichte auf die letzten 200 Jahre. Im Zentrum stehen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die anhand des intensiven Vereinslebens, der Landwirtschaft, der Kriegsjahre oder der Boomjahre nach 1950 nachgezeichnet werden. Keine Berührungsängste zeigt der Hauptautor gegenüber volkskundlichen Themen. So lockern etwa die Sage um die Entstehung des Egelsees oder Recherchen zur Häufung des Namens Jakob im 19. Jahrhundert den mit historischen Abbildungen illustrierten Band auf. Dieser gibt dem einstigen «Niemandsland» ob Dietikon klare Konturen.

Patrick Zehnder: Grenzen überschreiten. Die Aargauer Gemeinde Bergdietikon seit dem Mittelalter. Herausgeberin: Einwohnergemeinde Bergdietikon. Chronos-Verlag, Zürich 2003. 146 S., Fr. 38.-. Im Buchhandel erhältlich.

Abgedruckt mit freundlichen Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.
Neue Zürcher Zeitung ZÜRICH UND REGION Mittwoch, 15.01.2003 Nr.11 41
(c) 1993-2000 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1