Stadt und Landschaft Schaffhausen sowie das Jahrhundert vor den grossen gesellschaftlichen Umwälzungen der Jahre nach 1968 bilden den Hintergrund für eine historische Studie auf noch jungem Gebiet. Bisherige Forschungen waren meist grossstadtzentriert und stellten die homosexuelle Befreiungsbewegung oder die nationalsozialistische Verfolgung in den Mittelpunkt. Wie aber realisierten Männer ihr Begehren nach Männern in der Kleinstadt und auf dem Land?
Die spärlich beleuchteten Handwerker-Schlafstuben des 19. Jahrhunderts sind in dieser Geschichte ebenso Schauplatz wie die öffentlichen Bedürfnisanstalten der Nachkriegszeit; der Badeplatz am Rhein ist Ort heimlicher Lust und heimlichen Leidens, die nahe Grossstadt Zürich verkörpert Eldorado für die einen, Sündenpfuhl für die andern.
Den grössten Teil der untersuchten Quellen steuerten die Gerichte bei. Die Psychiatrie drohte mit einem umfangreichen Katalog von Behandlungsmassnahmen, den sie im Zweifelsfall auch umsetzte. Die letzte Kastration eines Homosexuellen im Kantonsspital fällt ins Jahr 1961. Trotz solcher Bedrohung und gesellschaftlicher Ächtung sowie regelmässig in Erpressungen ausartender Prostitution gab es - oft vor der Welt verborgen und nur durch Zufall oder Panne ans Licht gebracht - Liebesbeziehungen von Dauer. «Und überhaupt könnte ich ja gar nicht ohne Dich sein», schrieb der Konditor dem Maschinenzeichner.
Die Arbeit zeigt die Verbreitung gleichgeschlechtlicher Aktivitäten und ihre unterschiedliche Konnotation, je nach Zeit, Ort und sozialer Schicht. Sie zeichnet das schwierige Ringen um Selbstbilder und Identitäten nach und folgt den ersten Schritten organisierter Homosexueller. Damit stellt sie einen Beitrag zur Sozial-, Alltags- und Sexualitätsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts dar.
Aus dem Lebenslauf eines Maurers, verfasst am 31. Januar 1930 in Untersuchungshaft in Schaffhausen:
«Merkwürdigerweise bekam ich Neigung zu Burschen. Wenn ich auf der Straße oder sonstwo ein schöner Bursch getroffen hatte zog mich etwas zu ihm ich weiß selber nicht warum. Der Verstand sagte mir aber immer. Es ist Torheit. Du kannst doch nie mit einem Mannsbild Liebesverhaltnisse anfangen. […] Dann kam ich verfluch es tausendmal dass das Geschlechtsleben sich bei mir nach u. nach ganz anders umgestaltete, weshalb ich auch so tief ich mich im Unglück befinde. Ich muss sagen es war mir manchmal wie wenn alle Teufel gegen mich auflehnen würden. Wenn einer nur Wasser machte oder bei manchem bloß das Ansehen reitzte es mich wärend dagegen bei Weibern nie etwas empfand im Gegenteil mir hässlich vorkamen.»