Nachfragen und Vordenken
Intellektuelles Engagement bei Jean Rudolf von Salis, Golo Mann, Arnold Künzli und Niklaus Meienberg
Broschur
2000. 245 Seiten, 28 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-905314-08-3
CHF 38.00 / EUR 23.00 
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Jean Rudolf von Salis zusammen mit Golo Mann, in Gesellschaft von Arnold Künzli und Niklaus Meienberg? Dieses Zusammentreffen zwischen zwei Buchdeckeln provoziert Erstaunen. Hat es auch im realen Leben trotz ähnlicher Themen und Fragestellungen nie stattgefunden, so ist es jetzt arrangiert. Ihre öffentliche Präsenz ­ schreibend, lehrend und argumentierend ­ hat die vier Männer im Schweizerischen Literaturarchiv (SLA) in Bern im Rahmen eines zeitgeschichtlichen Forschungsprojekts zusammengebracht. Bei aller Differenz der politischen Couleur, des Alters und der Intentionen hat sich bei der Arbeit am umfangreichen Nachlass- und Archivmaterial ein gemeinsamer Brennpunkt ihres Lebens und Wirkens immer deutlicher abgezeichnet: das öffentliche Eintreten für gesellschaftliche, politische und kulturelle Anliegen.
Nach einer thematischen Einführung zeigen vier Aufsätze zu den einzelnen Publizisten exemplarische Momente ihres intellektuellen Engagements. Darin widerspiegeln sich persönliche Interessen und Eigenheiten wie auch der zeitgeschichtliche Kontext. Der Band führt vier Spielarten vor, wie sich die bewunderte und gescholtene Rolle des Intellektuellen im vergangenen Jahrhundert ausüben liess.

Jean Rudolf von Salis (1901­1996)
Mit seiner Radiosendung «Weltchronik» wurde J.R. von Salis zur Schweizer Integrationsfigur. Hatte er sich zur Zeit der nationalen Bedrohung durch Hitler-Deutschland journalistisch für die Geistige Landesverteidigung engagiert, so setzte er sich im Kalten Krieg für den endgültigen Ausbruch aus dem Réduit ein.

Golo Mann (1909­1994)
Geprägt von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und in Sorge um die Stabilität der Demokratie bemühte sich Golo Mann stets, neben der Kritik immer auch konstruktive Alternativen aufzuzeigen. Sein intellektuelles Schaffen kannte Perioden der höchsten Souveränität und Sicherheit ebenso wie Zeiten der tiefen Ratlosigkeit.

Arnold Künzli (geb. 1919)
Der politische Philosoph und bekennende Linksintellektuelle fühlt sich der Tradition der Aufklärung verpflichtet. In der Auseinandersetzung mit dem demokratischen Sozialismus hat er beharrlich versucht, auf die Missstände seiner Zeit mit einem politischen Gegenentwurf zu antworten.

Niklaus Meienberg (1940­1993)
Als Journalist war Meienberg bestrebt, missliebige Zustände zu kritisieren und von den Verantwortlichen eine Antwort einzufordern. Intellektuelles Engagement war aber in seinem Fall keine sporadische Aktivität, sondern eine permanente, die er sowohl in seinen journalistischen wie auch in seinen historischen und lyrischen Arbeiten ausgeübt hat.

Roger Sidler, Bern. Studium der Geschichte und Soziologie in Bern, Promotion in Luzern. Forschungsschwerpunkt: Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert. Redaktor am «Historischen Lexikon der Schweiz».


Bücher im Chronos Verlag

Besprechungen
Engagement rox. Wer nach der Gemeinsamkeit von vier so unterschiedlichen Köpfen wie Jean Rudolf von Salis, Niklaus Meienberg, Golo Mann und Arnold Künzli fragte, käme wohl auf die Antwort: Sie waren alle vier publizistisch tätig und haben, je auf ihre Art, die intellektuelle Signatur der Schweiz im 20. Jahrhundert mitgeprägt. Nun haben freilich die Intellektuellen in der Schweiz nicht jenen charismatischen Stellenwert, der ihnen in romanischen Ländern und vielleicht gar in unserem deutschen Nachbarland noch zukommt. Der anzuzeigende Band will denn auch nicht eine «theoretische» Standortbestimmung des Schweizer Intellektuellen vornehmen. Vielmehr haben sich bei der Arbeit an den nachgelassenen Papieren und Zeitdokumenten, die sich im Schweizerischen Literaturarchiv befinden, gemeinsame Brennpunkte im Leben der vier Publizisten herauskristallisiert. Sibylle Birrer hat sich mit den rund 190 Archivschachteln des Salis-Nachlasses, Kathrin Lüssi mit den 250 von Golo Mann beschäftigt. Als Ergänzung zu der von Marianne Fehr verfassten Meienberg-Biographie liest sich der von Reto Caluori erarbeitete Bericht über die Meienberg-Papiere. Der Glaube, dass sich die Welt gestalten lässt, spricht aus Roger Sidlers Porträt über Arnold Künzli, auch es entstand anhand eines privaten Archivs, das Künzli vor einigen Jahren dem Literaturarchiv überlassen hat. Freilich: Gemeinsame Lineaturen zwischen den vier Intellektuellen ergeben sich wenige, es sei denn, man subsumierte sie unter dem Begriff «Engagement». Sibylle Birrer, Reto Caluori, Kathrin Lüssi, Roger Sidler: Nachfragen und Vordenken. Intellektuelles Engagement bei Jean Rudolf von Salis, Golo Mann, Arnold Künzli und Niklaus Meienberg. Chronos-Verlag, Zürich 2000. 244 S., Fr. 38.-. Abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der NZZ. Neue Zürcher Zeitung FEUILLETON 09.06.2001 Nr. 131 68