Sensation und Störfaktor in einem, führt Kaiser Joseph II. 1777 durch die Schweiz. Die eidgenössischen Untertanen sind von seiner Leutseligkeit und Freigebigkeit begeistert, den Aristokraten hingegen missfällt sein Auftritt. Joseph, der als Graf von Falkenstein reist, hält die Regierenden auf Distanz, was den alten Argwohn zu bestätigen scheint, er erhebe Anspruch auf Gebiete der Eidgenossenschaft.
Misstrauen und Vorurteile gegen Österreich lassen Gerüchte und Spekulationen ins Kraut schiessen; antiösterreichische Einflüsterungen der französischen und preussischen Diplomatie tragen das Ihre dazu bei. Die Schweizer Oligarchen verweisen aber auch deshalb auf die angebliche äussere Gefahr, weil sie egoistische Interessen verschleiern und ihren privilegierten Status sichern wollen. Dabei bildet der Hochverratsprozess gegen Pfarrer Waser in Zürich den traurigen Höhepunkt; er endet in einem Justizmord.
Über die wachsenden Spannungen und die sich verschärfende Repression in der Eidgenossenschaft breitet sich ein Schleier von Mythos und Propaganda. So erscheint der Erbe des Habsburgerthrons, auch wenn er die Schweiz nicht gefährden wird, wie ein Vorbote des Untergangs: Als Gegner ständischer Privilegien legt der aufgeklärte, moderne Joseph II. die inhärenten Widersprüche des Ancien Régime bloss.
Dieses Buch wirft ein Schlaglicht auf die Brüchigkeit der Alten Eidgenossenschaft in den Jahrzehnten vor der Helvetischen Revolution. Anschaulich führt es vor Augen, wie verzerrt der Blick vieler Schweizer Aristokraten auf Joseph II. war, wie stark ihr Standesdünkel mit seiner Haltung kontrastierte und wie sehr es sie beunruhigte, dass er an der konstruierten Idylle kratzte.