1884 starb Regina Leuenbergers Ehemann plötzlich an einer Lungenentzündung. Die 34jährige Witwe war gezwungen, ihre vier Kinder allein durchs Leben zu bringen. Sie führte das Telegraphenbüro ihres Mannes weiter und bewirtschaftete nebenbei einen Bauernbetrieb. Ab 1905 war sie Posthalterin von Ursenbach, eine Position, die sie sich als alleinstehende Frau regelrecht erkämpfen musste. Aus den über 300 Briefen, die sie ihren Kindern zwischen 1884 und ihrem Tod im Jahr 1921 schrieb, entsteht ein facettenreiches Bild des Alltagslebens im Emmental zu jener Zeit. Die Botschaften an die Kinder widerspiegeln eine Welt, die mangels Quellen bis anhin weitgehend verschlossen geblieben ist. Sie geben Einblick in den Handlungsspielraum einer Frau um die Jahrhundertwende und in ihr reges familiäres Beziehungsnetz, das sie aufrechterhält, indem sie Körbe mit Früchten, Eiern und Speck vom emmentalischen Ursenbach in die stadtbernischen Haushalte der Kinder verschickt. Auch Neuigkeiten aus dem Dorf Unfälle, Liebschaften, Feste werden mitgeteilt und kommentiert.
Was bewegte die Menschen auf dem Lande? Welche Sorgen und Nöte, Freuden und Wünsche bestimmten den Alltag? An welchen Weltereignissen und Sensationen nahm man in Ursenbach Anteil? Regina Leuenberger-Sommer gibt Antworten auf diese Fragen auf unspektakuläre Weise, aber eigenwillig und originell. Eine kurze Lebensbeschreibung der Briefeschreiberin und zwei wissenschaftliche Aufsätze, in denen die Briefkultur auch aus frauengeschichtlicher Perspektive beleuchtet wird, ergänzen den Briefwechsel.